Grünen-Bundestagskandidat Jürgen Kretz besuchte die Bürger-Energie-Genossenschaft Leimen

von Sabine Hebelmann

Leimen | Genossenschaften bieten eine Möglichkeit, bei der Energiewende voranzugehen, sagte Jürgen Kretz, Bundestagskandidat der Grünen im Wahlkreis Rhein-Neckar, beim Besuch der Bürger-Energie-Genossenschaft (BEG) Leimen. Zugleich machte er klar, dass die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung die Rahmenbedingungen für die Energiewende deutlich verbessern werden. Auch Angehörige der benachbarten grünen Ortverbände Sandhausen und Nußloch nutzten die Gelegenheit dazu, sich zu informieren und Beteiligungsmöglichkeiten auszuloten.

In der Geschwister-Scholl-Schule St. Ilgen wirft Jürgen Kretz einen Blick auf die von der BEG Leimen betriebene Photovoltaikanlage, während Aufsichtsrätin Christa Hassenpflug die Leistungsdaten der Anlage erläutert. Die Gemeinschaftsschule wird derzeit umgebaut, auf einem Neubau soll eine weitere Anlage errichtet werden.

„Ich freue mich, heute hier zu sein und zu erfahren, wie die Genossenschaft funktioniert und wie die Erfahrungen in der Praxis sind“, sagt der Bundestagskandidat beim anschließenden Gespräch im Bürgeramt. Die Große Koalition – wie auch die verschiedenen CDU-geführten Koalitionen zuvor – tue an vielen Stellen nur so, als ob sie die Energiewende vorantreibe. Stattdessen seien die Regeln dafür in den vergangenen Jahren immer komplizierter geworden. „Es muss einfacher werden, in Erneuerbare Energien zu investieren“, betont er.

Genossenschaften seien eine besonders demokratische Organisationsform, sagt Bürgermeisterin Claudia Felden und geht als Finanzvorstand der BEG Leimen auf die Historie ein. 2012 startete die Gründungsversammlung mit 60 Teilnehmenden und viel Schwung. Auf der Suche nach geeigneten Dächern bot sich die Geschwister-Scholl-Schule an, die gerade saniert wurde. Doch der Elan und das ehrenamtliche Engagement wurden immer wieder ausgebremst. Die Prüfung durch den Genossenschaftsverband dauerte Jahre und jedes Jahr wurde die Einspeisevergütung weniger. Die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind inzwischen so, dass sich der Betrieb nur lohnt, wenn der Strom unmittelbar im Gebäude verbraucht wird. Und selbst dann muss auf den selbst erzeugten Strom noch die EEG-Umlage gezahlt werden.

Insgesamt betreibt die BEG Leimen derzeit vier Anlagen, drei weitere sind geplant. Da das Interesse der Bürgerschaft an Beteiligung die Kapazitäten der ehrenamtlich Engagierten übersteigt, beschränkt sich die BEG auf ihren Mitgliederstamm von inzwischen 67 Mitgliedern. Vorerst können keine weiteren Anteile gezeichnet oder neue Projekte in Angriff genommen werden. Anderen Energiegenossenschaften in Deutschland geht es ähnlich: Ein Drittel plant derzeit keine neuen Projekte.

Damit Bürgerinnen und Bürger wieder eine aktivere Rolle bei der Energiewende spielen können dringen die Grünen darauf, dass die Bundesregierung die europarechtlichen Rahmenbedingungen für die Bürgerenergie vor Ort endlich umsetzt. „Wir müssen einfach die Leute vor Ort stärker einbinden, nicht nur in der Bürgerbeteiligung, sondern auch in der Frage, wer profitieren kann“, sagt Jürgen Kretz auch mit Blick auf mögliche Konflikte in der Bürgerschaft beim Thema Windenergie. Ob ich in eigene Anlagen vor Ort investiere oder mir ein fremder Investor eine Anlage vor die Tür setzt, sei eben auch eine Frage von Akzeptanz.

Der Bundestagskandidat macht klar, dass an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden muss, um den Ausbau von Wind- und Solarenergie als tragende Säulen der Energiewende massiv zu beschleunigen. Er erinnert daran, dass die grün geführte Koalition in Baden-Württemberg mit dem Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz vorangeht, das eine Solarpflicht für Dächer und viele Parkplätze sowie ein Zwei-Prozent-Flächenziel für Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik vorsieht. Dasselbe brauche es auch auf Bundesebene.

Grünen-Fraktionssprecher Ralf Frühwirt kann sich als Aufsichtsratsvorsitzender eine Öffnung der BEG Leimen auch für Nachbargemeinden durchaus vorstellen. Er fordert, kleinere Anlagen aus der EEG-Umlage herauszunehmen und die Vor-Ort-Vermarktung zu erleichtern. In den Sommerferien, wenn die Solarmodule auf der Schule besonders produktiv sind, sei innerhalb der Schule kein Abnehmer da. Würde nicht das Netzentgelt für die Stromdurchleitung fällig, könnte sie den Strom günstig den Nachbarn anbieten. Die EEG-Umlage werde weiter sinken und langfristig auslaufen, weil die Anlagen günstiger werden, versichert Kretz. Darüber hinaus müsse die Erzeugung und Nutzung von erneuerbarem Strom vor Ort entbürokratisiert und finanziell attraktiver gestaltet werden.

Thomas Gomminginger vom Ortsverband Nußloch, regt an, über städtische Gebäude hinaus größer zu denken und Parkplätze, Supermärkte, Unternehmen und Freiflächen einzubeziehen. Die BEG Leimen habe Verschiedenes versucht, sei aber jeweils an den Gegebenheiten gescheitert, bedauert Felden und ergänzt: „Sobald sich die Rahmenbedingungen verbessern, sind wir bereit, mehr zu tun.“